180° Wandel mit 150 Mitarbeiter = Jaguar I-PACE
Direkt hinter dem Jaguar Land Rover Test Center dröhnt noch ein „Verbrenner“, als die Pressekonferenz zum ersten vollelektrischen Fahrzeug von Jaguar startet. Die alte Welt lässt nicht locker, und Roger Raynald (European Head of Sales & Marketing for Electric Vehicles – General Manager) und Mathias Haas, DER TRENDBEOBACHTER., sind sich ziemlich schnell einig: Es wird für absehbare Zeit beide Systeme geben. Elektromobilität ist das Maße der Dinge, alleine weil die chinesische Regierung so entschieden hat. Gleichzeitig bleiben aber genügend Märkte ohne Lade-Infrastruktur und somit erstmal beim geliebten Öl.
Für den Redner und Moderator Haas ist das zeitgemäße Fahrerlebnis genauso interessant wie der Weg dorthin. Fangen wir hinten an: Dr. Ing. Wolfgang Ziebart, der mutige Macher und offizielle „Technical Design Director“ hatte keine guten Vorzeichen, aber eine Idee. Mit einem Team von 50 Personen lief er los – zeitweise waren es auch mal 150 Mitarbeiter – mehr nicht! „Im Rückblick“, so der bodenständige Manager, „war zu beobachten, dass viele Kolleginnen und Kollegen gar nicht Teil dieser Mission sein wollten“. Das gefühlte Risiko im Zusammenhang mit dem Fahrzeug stand auch für eine Bedrohung der eigenen Karriere.
Es hat geholfen, dass Dr. Ziebart zuvor Entwicklungsleiter war und die volle Unterstützung des Vorstandsvorsitzenden genossen hat. Doch auch seine frühere Tätigkeit als CEO bei Infineon hat sicher nicht geschadet. „The father of the I-PACE“ kennt mehr als nur die Autowelt und teilt sein Wissen und Haltung gerne. Gerade im Rahmen der Produkteinführung, aber auch darüber hinaus.
Fragen mit Zeitgeist sind schnell gefunden, und die Antworten sind nicht weit: Wie sieht Mobilität aus zwischen elektrischen Skateboards und vollelektrischen zweisitzigen, offenen Elektroautos? Wie prägen MegaCities die innovative Mobilität in Stuttgart, Gelsenkirchen und Rostock? Wie entwickelt sich das selbstfahrende Auto, wenn die Marke egal ist und dieses Verkehrsmittel eher mit einem „Ackergaul“ zu vergleichen ist? Wie definiert sich ein moderner Autobauer, wenn die Batterie aus Korea kommt, die Software aus Kalifornien und die DNA der Fahrdynamik kaum abgrenzbar ist?
Jede Menge schnittige Kurven in der Eifel, doch der Top-Manager lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Nicht von 400 PS, 2,2 Tonnen und einer tagesaktuellen Reichweite von 385 Kilometern. Das elektrische Performance-SUV fragt dann fast selbstständig „How alive are you?“, und der Zukunftsexperte Haas spürt Meter für Meter, dass es nicht das große Panorama-Glasdach mit UV-absorbierender Beschichtung ist, das reizt. Es sind auch nicht die aktiven Lamellen im Kühlergrill, die so begeistern, sondern das Gesamtpaket. Irgendwo zwischen dem hochwertigen Cockpit mit Textilien von Kvadrat und dem 2.990mm Radstand, der für großzügige Platzverhältnisse sorgt, mischen sich auch immer wieder die selbstlernenden Algorithmen in den faszinierenden Erlebnismix.
Ein Teil dieses Erlebnisses ist ganz sicher auch der Respekt vom Betreten dieser neuen Ära, dem Neu-Neu-Land. Mathias Haas und sein Team suchen und finden bekanntlich MegaTrends, die sicht- und spürbar sind. Haas und sein Moderatoren-Team arbeiten aber auch mit Organisationen am „Next Big Thing“, so wie dem I-PACE. Fast täglich wird sichtbar, wie schwer sich Führungskräfte als auch Mitarbeiter tun, wenn Sie von Null anfangen sollen. Wenn es heißt „einfach mal machen“! Wie oft gibt es die einsamen Wölfe, die auf der richtigen Fährte sind und dann letztlich doch von Designern und/oder den Preisstrategen abgelenkt oder sogar vergiftet werden. Angesichts der aktuellen „Wirklichkeits-Erfahrung“ im I-PACE zollt DER TRENDBEOBACHTER. großen Respekt, denn auch Männer wie Roger Raynald oder Dr. Ziebart haben sich durchgebissen.
Der Technical Design Director Jaguar I-PACE wird heute gefeiert, und doch erinnert er sich an Zufälle und „Glück im Leben“, ohne die auch ein noch so zielstrebiges Tun nicht erfolgreich von statten geht. Und er erinnert sich an harte Tage, die vielleicht die Grundlage für eine solche Haltung sind. So hat Herr Dr. Wolfgang Ziebart nicht vergessen, wie überraschend sein letzter Tag bei BMW war. Er hat sich ausdrücklich bereit erklärt, dass wir darüber berichten dürfen:
Im März 2000 hatten die Münchner gerade mit der Formel 1 begonnen und prompt ein Rennen mit Platz 3 beendet. Da war das Commitment zum Motorsport, und umgehend hat das Team geliefert. Unmittelbar danach stand eine Aufsichtsratsversammlung an, doch anstelle eines Bonus‘ gab es den Rauswurf. Ja, so überraschend kann das Leben sein. Es gibt diese Tage und jene Tage. Im September wird Herr Dr. Ziebart Jaguar verlassen – in Eigenregie und völlig geplant. In Rente, so der Eindruck von Mathias Haas, wird er noch lange nicht gehen. Dafür wurden bei dieser Probefahrt viel zu spannende Ideen und Ansätze gedreht und gewendet. Wer weiß, in welchem Kontext Ziebart und Haas sich wiedersehen… wer weiß…
DER TRENDBEOBACHTER. ist kein klassischer Trend- und Zukunftsforscher. Im Gegenteil: Mathias Haas prägt ein eigenes Segment: die Trendbeobachtung. Er und sein Team sind die „Pragmatiker am Trendhimmel“. Und so ist es auch kein Wunder, dass die I-PACE-Testfahrt keinen klassischen Ablauf hatte. Weiter, immer weiter.