Neue Mobilität! Made in Germany?!
Dem Autor ist klar: Bei dieser Überschrift scheiden sich die Geister. Die einen würden am liebsten mit Äxten und Dreschflegeln bewaffnet Bundes- und Stadtparlamente stürmen, um zu verhindern, dass ihnen ihr letztes Stück automobiler Freiheit demnächst auch noch genommen wird. Die anderen träumen derweil von goldenen Lastenfahrrädern, mit deren Hilfe die globalen Warenströme bis hin zu den lokalen Händlern fließen.
Doch eigentlich soll es hier um Denkmodelle gehen – hin zu echten Lösungen für beide Seiten der gleichen Medaille. Und Lösungen braucht es, denn Herausforderungen (wir können sie auch „Probleme“ nennen) gibt es genug. Dabei müssen wir uns nichts vormachen: Transformation beim Thema Mobilität ist notwendig. Zum Einen, um die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen in Zukunft weiter befriedigen zu können. Zum Anderen, um dabei unseren Planeten nicht noch restlos zu verwüsten.
Und nein, es ist keine Lösung, zum Beispiel dem aufstrebenden Asiaten oder Afrikaner zu sagen: Nein, Du darfst nicht Auto fahren, obwohl Du Dir das schon jahrzehntelange gewünscht hast und obwohl das Dein Leben 500% besser machen würde. Genau wie hier lautet dort die Lösung: Biete eine Technologie an, die die Vorteile des Alten mit den Notwendigkeiten des Neuen verbindet. Schaffe in diesem Sinne Akzeptanz. Damit – und nicht mit Verboten – kann Deutschland Vorreiter sein.
Statt bergeweise umweltschädliche Batterien durch die Gegend zu fahren – je größer das Fahrzeug, um so schwieriger wird das – setzen wir doch beispielsweise auf Wasserstoff. Bei der nächsten Rallye Dakar bringt der französische Hersteller Gaussin einen straßenzugelassenen Lkw an den Start, dessen Energie eine Brennstoffzelle bereitstellt. Einen besseren Leistungsbeweis als diese Marterstrecke gibt es nicht. Kaufen kann man die zivile Variante mit 800km Reichweite ab nächstem Jahr. Alternativ gibt es das Fahrzeug dann auch mit Wechselakkus für 400km, was im stationsbasierten Verkehr und bei ungesicherter H2-Versorgung ebenfalls große Vorteile bringt.
Tauschzeit: 3 Minuten
Apropos Wechselakku: Während sich europäische und amerikanische Autobauer nicht auf einen Standard für Wechselakkus in Pkw einigen wollen und stattdessen mit Inbrunst das in der Masse vollkommen unpraktikable Aufladeauto entwickeln, machen die Chinesen vor, wie es geht: Der Hersteller Nio bietet ein Wechselakku-Konzept an, bisher bestehen bereits 600 Tauschpunkte. In China. Und auch Europa soll welche bekommen (in Norwegen kann man schon einen ausprobieren). Nio-Fahrzeuge jagen von einem Auslieferungsrekord zum nächsten, denn es gilt im Sinne nachhaltiger Wertschöpfung im Unternehmen, die Käufer zu überzeugen – und damit dann die Politik. Die hat übrigens in China erkannt, wohin der Hase läuft. Nicht nur Nio, sondern auch AIC BJEV, SAIC Motor, Geely, und GAC arbeiten am oder mit dem Wechselakku-Prinzip. Warum? Weil der Staat eine gesetzliche Regelung für die Vereinheitlichung der Technologie in die Wege geleitet hat.
Fazit: Gut für den Nutzer, gut für die Wirtschaft. Better Place und Renault haben es seinerzeit versucht. Doch alleine gewinnt man eben keinen Krieg.
Halten wir fest: Es geht.
Halten wir weiter fest: Man muss es wollen.
Und man muss über den eigenen Schatten springen, zwei Schritte gehen – auch wenn einer davon vielleicht unsicher erscheint. Denn sonst…es sagten schon die Altvorderen: Hochmut kommt vor dem Fall.
Zukunftsexperte und TRENDBEOBACHTER Mathias Haas weist schon seit vielen Jahren darauf hin: Wenn wir nicht aufpassen, werden die Chinesen die Regeln machen. Wollen wir das? Vielleicht, wenn sie die besseren sind? Was das für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeutet, dürfte klar sein. In diesem Zusammenhang lässt also der Begriff „neue Mobilität“ einen völlig neuen Interpretationsspielraum.
Anderes Beispiel:
In Deutschland fehlen rund 50.000 Berufskraftfahrer. Tendenz steigend. Doch bei
uns kann sich niemand auf Brexit & Co. zurückziehen – das Problem ist
hausgemacht: Schlechte Arbeitsbedingungen bei schlechter Bezahlung unter
schlechten Rahmenbedingungen.
Lösungen? Durchaus!
Während Platooning bei Lkw-Fahrten auf der Autobahn schon fast ein alter Hut zu sein scheint (obwohl noch lange nicht praxisreif), gehen diverse Startups bereits den oben beschriebenen zweiten Schritt: Der Fahrer fährt vom Büro aus! Schnelle Datenverbindungen und entsprechend hochautonom fahrende Fahrzeuge vorausgesetzt könnte ein Lkw-Fahrer bei der Firma Fernride bald aus einer Art Video-Control-Room heraus gleich mehrere Fahrzeuge an ihr Ziel lenken. Im Güterverkehr noch Zukunft, will das Berliner Unternehmen Vay nächstes Jahr mit der Personenbeförderung via Tele-Fahrer starten.
Auch wenn man nicht weiß, ob all diese wirklichen Innovationen jemals serienreif werden und was sie bewirken, so denkt dabei jemand in die Zukunft.
Das ist es auch, was Mathias Haas seinen Kunden im Rahmen seiner Zukunftsbegleitung immer sagt: Denke an morgen und übermorgen, denn heute ist schon längst gelaufen. Strategische Befassung mit dem Thema Zukunft ist eine Führungsaufgabe – gerade da die Zukunft der deutschen (Automobil-/ Mobilitäts-) Industrie eher am seidenen Faden denn an robusten Stahlseilen hängt.
Deutschland war stets führend, wenn es um Technologie in der Mobilität ging. Lassen Sie uns diesen Anspruch erhalten und einfach größere Schritte gehen. Ohne Angst zu scheitern, sondern mit der Zuversicht, dass wir mit unserem Ingenieurgeist und tatkräftigem Willen der Welt weiterhin zeigen können, dass Made in Germany auch die Probleme der Zukunft lösen kann.