SBB: Die ReUse-„Werkstadt“
Die Schweizer Bundesbahnen (SBB) sind ein echter Dampfer. Pro Jahr investiert das Unternehmen 6 Milliarden CHF in die Mobilität und Infrastruktur von morgen, und DER TRENDBEOBACHTER Mathias Haas war mitten drin.
Wenn sich ein solches Gefährt dreht, dann gibt es Wellen.
Die Werkstadt in Zürich waren einmal SBB-Werkstätten. Hier werden 42.000m² von einer Industrieanlage zu einem Ort für gewerbliche und industrielle Innovationsbetriebe umgebaut. Die wunderschönen Kaffeemaschinen namens ZURIGA sind von hier (Stammleser dieses TRENDBEOBACHTER-Blogs kennen das junge Unternehmen von der HAPPINESS MINDSET TOUR). Aber auch eine Brauerei, eine Kaffeerösterei, der Einzelhändler für Künstlermaterial Boesner ist an Bord. Letzterer wurde zum Beispiel inkludiert, da die Produktpalette jede Menge Traffic produziert.
Heike Kiefer hatte den Zukunftsbegleiter Haas im Zoom-Call vorgewarnt: „Dieses Projekt zeigt, dass Re-Use und Kreislaufwirtschaft möglich sind. Die Konzepte sind heute schon mindestens kostenneutral!“. Was passiert hier? Warum ist dieses Projekt so nennenswert? Weil hier langfristig gedacht wird und an zahlreichen Stellen eben nicht blind neue Materialien verbaut werden.
Bis 2030: maximale Emissionsreduktion.
Die selbst gesteckten Ziele sind signifikant. Doch gibt es – etwa im Tiefbau – noch Hürden, die den Einsatz von recyceltem Beton erschweren. Die Stabilität muss massiv sein. Was aber möglich ist und gemacht wird ist, Materialen von anderer Stelle an anderer Stelle zu verbauen. Oder Flächen zu veredeln. Für den Schallschutz wurde Altholz vom Holzbauer verarbeitet. „Schrottschienen“ wurden als Anprallschutz verbaut. Ein anderes tolles Beispiel sind denkmalgeschützte und eher „luftige“ Fenster, die teilweise gedoppelt wurden und andere von innen (mit circa 30cm Abstand) nochmals Kastenfenster erhalten. Gehen wir weiter, die Oberleitungsmasten von elektrifizierten Bahnen… 60 Prozent der vertikalen Träger in der größten Halle kommen vom Gleisbett. Sie mussten nicht mal großartig gereinigt werden. Teile des Geländers stammen vom Abriss eines Krankenhauses in Winterthur. Und wenn es nur Parkbanken sind, die von einem Probeaufbau übrig sind – heute stehen Sie auf der „Brache“.
„Licht as a Service“.
Bestellt wurde hier das Licht, nicht die Leuchte – oder gar die Glühbirne. Die SBB kümmert sich also nicht um Reparaturen oder Stromverbrauch. Im Gegenteil, es gibt bereits einen Preis für einen möglichen Rückkauf in 25 Jahren. Ja, es ist eine Frage der KPIs. Und all das war nicht nur für neue, sondern auch für historische Laternen inklusive.
Hier denkt man langfristiger.
Dabei ist (am Anfang) eben nicht alles glasklar – weder bei der „Licht-Ausschreibung“ noch bei den aufgedoppelten Fenstern. Einerseits wurden von Fensterbauern Muster eingereicht, andererseits war „as a Service“ am Anfang der Ausschreibung noch gar nicht gesetzt. Menschen wie Gabriele Bühler (Gesamtprojektleiterin in der Werkstadt) und Heike Kiefer (Co-Head of CoC Circular Economy bei der SBB) machen hier den Unterschied. Wieder einmal!
Sie haben die Ideen, die Beziehungen und die Freiheiten, solche Punkte in Ausschreibungen unterzukriegen. Und das am Bau!
Mit relativ hoher Geschwindigkeit.
Die Werkstätten wurden von der SBB noch bis 2016 genutzt. Dann kamen die Vision, ein Masterplan und so genannte Grundhaltungen. Hierbei geht es darum, dass es Platz gibt für urbane Produktion, dass das Projekt sich als Teil einer Kreislaufwirtschaft und einer nachhaltigen Innenentwicklung sieht. Dass ein respektvoller Umgang mit dem historischen Bestand und zum Beispiel auch Dialog versprochen wird. Beeindruckend ist dabei, dass dies beim Rundgang mit und für den Zukunftsexperten sicht- und spürbar wird. Hier sind es keine Worthülsen. Im Gegenteil.
Es werden Vorbilder wie Thomas Rau genannt und so genannte Materialpässe eingeführt. Viele Entscheidungen – zum Beispiel rund um die ehemalige Badeanstalt – sind noch offen. Weitere Flächen werden noch bis 2035 umgebaut.
Schlussendlich wird eine Vorreiterrolle angestrebt und transparent kommuniziert. Das erzeugt Motivation. Ist alles perfekt und skalierbar? Nein, sicher nicht. Doch für Mathias Haas beschreibt dieses Vorhaben eindrucksvoll, wie Verhaltensänderungen auch bei echten Dickschiffen Einfluss auf größte Projekte haben!
Die SBB besitzt 77 Millionen Tonnen Material, und natürlich waren die hier wiedergenutzten Mengen nur ein Anfang. Aber diese Paradebeispiele für sinnvolle Reduktion sind wichtig – für künftige Innovation.
Die Menschheit braucht Licht am Ende des Tunnels. Große Budgets (wie hier) können mit einer anderen Haltung noch mehr bewirken, so die klare Meinung von Redner und Berater Mathias Haas. Oder wie oben genannter „Architekt mit einer Mission“ meinte: „Don’t be less bad, be good!“.
In diesem Sinne: Wir sehen uns in dieser Zukunft!