„Klimawandel ist wie Folter“ –Der zähe Kampf um Schorndorfs Wald
Globales Problem mit lokalen Folgen
Der Klimawandel ist längst kein abstraktes Zukunftsszenario mehr – er ist real, greifbar und hat massive Auswirkungen auf unsere Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Besonders dramatisch zeigt sich dies in den Wäldern, die weltweit unter den sich verändernden Klimadynamiken leiden. Im Jahr 2023 gab es allein in den USA 28 Katastrophenereignisse mit Schäden von jeweils über einer Milliarde US-Dollar. Ob Hurrikane, Waldbrände oder Überschwemmungen – all diese Ereignisse hinterlassen tiefe Spuren in den Wäldern und verdeutlichen die globale Dimension des Problems. Doch was auf den ersten Blick wie ein weit entferntes Phänomen erscheint, spielt sich auch vor unserer Haustür ab. Im beschaulichen Schorndorf (Remstal bei Stuttgart), einer Stadt mit reicher Geschichte und ausgedehnten Wäldern, kämpft der Leiter des Forstreviers, Julian Schmitt, gegen die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels. Schmitt bringt es auf den Punkt: „Klimawandel ist wie Folter“. Dieses Zitat ist nicht nur provokant, sondern auch zutiefst ehrlich und beschreibt die quälende, oft frustrierende Realität, mit der er täglich konfrontiert ist.2018: Der (gefühlte) Auftakt in die Dürre-Hölle
Trockenperioden hat es in Deutschland schon immer gegeben, insbesondere in den Mittelgebirgen. Das Phänomen des „Regenschattens“, bei dem Gebirge den Regen abhalten und die dahinter liegenden Gebiete trocken bleiben, ist bekannt. Doch während diese Trockenperioden früher punktuell und zeitlich begrenzt auftraten, erleben wir heute eine kontinuierliche und bedrohliche Verschärfung. „Das Wasserdefizit ist so gravierend, dass wir nicht mehr von Einzelfällen sprechen können“, erklärt Julian Schmitt. Ein Schlüsselmoment war das Jahr 2018, als eine beispiellose Dürre das Land heimsuchte. Dieses Jahr markierte einen Wendepunkt in der Wahrnehmung und im Umgang mit dem Klimawandel. Während viele Menschen den Sommer 2018 als angenehm warm in Erinnerung behalten werden, war er für Schmitt und seine Kollegen der Beginn einer neuen Ära des forstlichen Krisenmanagements.
Der Sommer 2018 war ein Weckruf. Für Schmitt, der schon immer langfristig gedacht hat, war klar, dass die bisherigen Strategien der Waldbewirtschaftung nicht mehr ausreichen. Die Trockenheit hat den Wäldern stark zugesetzt und die Schäden waren so massiv, dass schnell und entschlossen gehandelt werden musste. Doch die Herausforderungen des Klimawandels lassen sich nicht von heute auf morgen bewältigen. „Im Wald dauert alles länger“, betont Schmitt. Entscheidungen, die heute getroffen werden, wirken sich oft erst in ferner Zukunft aus.
Wald oder Wüste? Erfolg zeigt sich erst in Jahrzehnten
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die Herausforderungen, vor denen Schmitt steht, ist die Aufforstung des Schorndorfer Waldes. Im vergangenen Jahr wurden neue Eichen gepflanzt – eine Baumart, die traditionell als robust und anpassungsfähig gilt. Doch trotz sorgfältiger Planung und intensiver Pflege, die größtenteils von Hand erfolgte, überlebten viele der jungen Bäume die anhaltende Trockenheit nicht. Ein Jahr später mussten an derselben Stelle erneut Bäume gepflanzt werden. Diese Wiederholung von Arbeit und Aufwand verdeutlicht den schier endlosen Kampf, den uns der Klimawandel aufzwingt. „Es ist, als müssten wir immer wieder von vorne anfangen, ohne zu wissen, ob unsere Bemühungen diesmal von Erfolg gekrönt sein werden“, sagt Schmitt.
Die Realität der Aufforstung ist hart und oft ernüchternd. Die Pflanzung neuer Bäume war schon immer mit Herausforderungen verbunden, die durch die sich verschärfenden Wetterbedingungen noch verstärkt werden. Trockenheit, unvorhersehbare Wetterereignisse und Schädlinge, die sich durch geschwächte Bäume fressen, machen verlässliche Prognosen fast unmöglich. Jede Neupflanzung wird zu einem riskanten Unterfangen, bei dem nicht sicher ist, ob die Bäume die nächsten Jahre überleben.
Langfristig oder verloren – Der Wald im Wettlauf
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum Julian Schmitt in Jahrzehnten denkt. Seine Rolle als Chefstratege des Stadtwalds erfordert eine weitsichtige Planung, die weit über kurzfristige Lösungen hinausgeht. Ziel ist ein „System Wald“, das sich selbst trägt und im Idealfall sogar Gewinne abwirft. Diese Vision ist ehrgeizig, aber auch notwendig, um den Wald langfristig zu erhalten. Schmitt weiß, dass der Klimawandel eine Herausforderung ist, die nicht im Alleingang bewältigt werden kann. Deshalb setzt er auf internationale Forschung, innovative Ansätze und konkrete Maßnahmen. So werden in den Schorndorfer Wäldern Dienstleister aus der Slowakei eingesetzt, die für einen Stundenlohn von 40 Euro arbeiten. Der Fach- und Arbeitskräftemangel lässt grüßen. Julian Schmitt ist dankbar für die Kooperation. Die Menschen in Schorndorf hoffentlich auch!
Die Planung der Zukunft des Waldes ist ein Balanceakt zwischen ökologischen und ökonomischen Überlegungen. Es gilt, widerstandsfähigere Baumarten zu identifizieren, die den zukünftigen Herausforderungen besser gewachsen sind. Gleichzeitig müssen wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden, da die Forstwirtschaft nach wie vor eine wichtige Einnahmequelle darstellt. Die Unsicherheit darüber, welche Baumarten sich als besonders widerstandsfähig erweisen werden, macht diese Aufgabe besonders schwierig. Während einige Baumarten gut auf die heutigen Bedingungen reagieren, könnten sie in einigen Jahrzehnten unter neuen klimatischen Herausforderungen leiden.
Klimafolter: Mensch und Wälder kämpfen sich durch – hoffentlich
Das Bild vom Klimawandel als „Folter“ ist drastisch, aber es trifft die Realität, die Julian Schmitt täglich erlebt. Der Wald, einst Symbol für Beständigkeit und Stärke, wird zum Schauplatz eines ständigen Kampfes. Der Klimawandel zwingt uns, ständig zu reagieren, ständig neue Strategien zu entwickeln und immer wieder von vorne anzufangen. Doch trotz aller Schwierigkeiten gibt Schmitt nicht auf. Er weiß, dass die Arbeit von heute entscheidend für die Zukunft ist. „Wir müssen jetzt handeln, auch wenn die Ergebnisse erst in Jahrzehnten sichtbar werden“, betont er.
Die Zukunft des Waldes ist ungewiss, doch die Entschlossenheit, ihn zu erhalten, ist ungebrochen. Die Arbeit von Julian Schmitt und seinem Team zeigt, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht nur auf globaler Ebene, sondern auch vor unserer Haustür stattfindet. Es ist ein Kampf, der Mut, Ausdauer und einen langen Atem erfordert – und der darüber entscheidet, wie unsere Welt in den kommenden Jahrzehnten aussehen wird.
Mathias Haas ist DER TRENDBEOBACHTER und eben kein klassischer Trendforscher und kein üblicher Zukunftsforscher. Der Zukunftsexperte Haas ist im “Hier & Jetzt”. Mathias Haas beschreibt die Zukunft sehr konkret – auch und gerade durch Ortstermine wie mit Julian Schmitt in Schorndorf.