Was verlieren weiße Männer 50+?

Frauen in Führung: Warum das Defizit bleibt – und was sich endlich ändern muss

300 Menschen, fast alle Frauen. Die meisten sind unter 30. Die Location: ein modernes Stuttgarter Forum mit LED-Wänden, Tech-Vibes und Espresso-Bar. Und mittendrin ein ungewohnter Gast. Er war weder weiblich noch jung, aber aufmerksam. Wer dort zuhörte, konnte eine seltene Kraft spüren: die leise Kraft einer neuen Generation von Führungspersönlichkeiten, die nicht mit dem Vorschlaghammer kommt, sondern mit Präzision, Vorbereitung und Haltung.

Die Konferenz hieß „Women of Tech“, doch dieser Text dreht sich nicht zentral um das Event, sondern um eine große Frage:

Warum gibt es im Jahr 2025 immer noch ein massives Defizit an Frauen in Führungspositionen – insbesondere in der Technologiebranche?

Zwei Frauen, die es wissen müssen, geben Antworten. Nicht aus der Theorie, sondern aus der Praxis von Digitalisierung, Innovation und Machtstrukturen.

Zwei Frauen, zwei Perspektiven, ein Thema.

Katharina Hopp, Senior Vice President und Leiterin der Business Unit „Mobility Solutions“ bei Bosch Digital und Beirätin in zwei mittelständischen Unternehmen, ist seit Jahren auf den großen Bühnen der Tech-Industrie unterwegs. Prof. Dr. Katharina Hölzle ist Institutsleiterin des IAT der Universität Stuttgart und des Fraunhofer IAO und gestaltet Forschung und Strategie an den Schnittstellen von Technologie, Gesellschaft und Wirtschaft. Sie ist zudem Technologiebeauftragte der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin.

Beide sind nicht nur Entscheiderinnen – sondern auch Initiatorinnen der „Women of Tech Conference“ in Stuttgart. Und beide gaben in einem gemeinsamen Gespräch eine überraschend ehrliche Antwort auf eine provokante Frage:

Was verlieren weiße Männer 50+, wenn mehr Frauen in Tech führen würden?

Das Ende der vertrauten Spielregeln

„Sie verlieren die gewohnte Art zu führen, zu kommunizieren und Geschäfte zu machen“, sagte Katharina Hölzle. Das klingt harmlos, ist aber eine tektonische Verschiebung.

Denn die alten Spielregeln der Macht funktionieren anders: direkter, oft lauter, kompetitiver und ritualisierter. Wer mit Empathie, Vorbereitung und Kontextverständnis auftritt, wirkt da schnell wie ein Fremdkörper – oder wird gar nicht wahrgenommen. Doch genau das verändert sich gerade.

Frauen führen anders. Nicht besser. Nicht schlechter. Aber eben anders. Sie sind ehrlicher, verbindlicher und dialogorientierter. Zudem haben sie häufig eine klarere Vorstellung davon, was Erfolg eigentlich bedeutet. Für sie bedeutet Erfolg nicht nur Macht, sondern auch Wirkung.

Oder, um es mit den Worten von Katharina Hopp zu sagen: „Frauen bewerten Erfolg oft holistischer.“

Lernen statt herrschen

Ein Beispiel für diese neue Haltung ist Anja Hendel. Sie war Geschäftsführerin der Diconium Group, Vordenkerin bei Porsche Digital und Tech-Pionierin. Sie sagte öffentlich, dass sie nur noch dort arbeitet, wo sie selbst dazulernen kann.

Was für eine Perspektive! Während viele klassische Führungskräfte stolz darauf sind, schon alles gesehen zu haben, setzen Frauen wie Hendel auf Weiterentwicklung, Neugier und echtes Wachstum. Keine Buzzwords, sondern gelebte Realität.

Natürlich kostet Veränderung Energie. Veränderung ist unbequem. Und genau deshalb bleibt das Defizit bestehen, weil Machtstrukturen nicht von selbst aufbrechen. Weil sich Frauen in Gremien und Meetings oft doppelt beweisen müssen. Weil es immer noch an (ausreichend) Vorbildern fehlt – nicht an Fähigkeiten.

SAP: Ein Schritt zurück?

Ein aktuelles Beispiel, das der Zukunftsexperte Mathias Haas in die Diskussion brachte, ist die Abschaffung der Frauenquote bei SAP. Dieser Schritt wurde mit geopolitischem Druck – vor allem aus den USA in Zeiten eines möglichen Präsidenten Trump 2.0 – begründet.

Ist das wirklich alternativlos?

„Business first”? Der TRENDBEOBACHTER sieht das anders. Denn noch ist unklar, ob ein solcher Kniefall vor der politischen Wetterlage überhaupt notwendig ist. Reagieren, bevor überhaupt etwas passiert, ist kein mutiger Kurs. Es ist Risikovermeidung. Und vor allem ist es ein fatales Signal. Doch zurück zum Interview…

Sind verschiedene Teams tatsächlich erfolgreicher?

Auch hier wurde es spannend. Prof. Hölzle verwies auf den aktuellen Forschungsstand: „Es ist nicht eindeutig bewiesen, dass diverse Teams automatisch erfolgreicher sind.“ Ein Satz, der irritiert, aber wichtig ist. Denn es geht nicht um romantische Gleichheitsideale, sondern um fundierte, strategische Argumente.

Europäische Werte brauchen Haltung!

Am Ende waren sich beide Interviewpartnerinnen und Mathias Haas einig: Europa muss seine eigenen Werte definieren und eine Strategie zur Umsetzung und Verteidigung dieser Werte entwickeln. Das gilt nicht nur, wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, sondern auch geopolitisch. Offenheit für Neues, Vielfalt und Transparenz sind keine hübschen Plakate in Kantinen oder auf Tassen gedruckt, sondern echte Standortfaktoren.

„Empower Yourself – aber bitte mit Panther!”

Zum Abschluss von Tag 1 blieb noch ein Bild hängen. Katja Herzog, Managing Director bei Hewlett Packard Enterprise, erzählte in ihrer Keynote davon, wie ihr Berufsleben auch von Zufällen geprägt war und warum sie sich nie wie ein Labrador verhalten wollte.

Denn Labradore wollen gemocht werden. Sie wedeln und warten auf Kommandos. Führungskräfte von morgen, so Herzog, müssen aber Panther sein. Selbstbewusst. Elegant. Klar. Nicht zum Kuscheln, sondern zum Vorangehen.

Ein starkes Bild. Und eines, das hängen bleibt.

Fazit: Die Zukunft wird anders aussehen.

Wer Frauen in Führungspositionen als „nice to have“ betrachtet, hat es noch immer nicht verstanden. Es geht nicht um Gleichstellung, sondern darum, gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, die robuster, ehrlicher und menschlicher ist. Eine Zukunft, die schlussendlich unsere Freiheit verteidigt!

Die gute Nachricht: Es gibt sie längst. Die Katharinas, die Anjas, die Katjas. Frauen, die vorangehen, anstoßen und verändern. Sie brauchen keine Quote, sondern Strukturen und entsprechende Kulturen, in denen sie ihr Potenzial entfalten und Organisationen voranbringen können. „Ergebnisorientierung“ ist hier das zentrale Stichwort. Ergebnisse machen den Unterschied – Potentiale haben viele, Ergebnisse nicht alle!

Denn am Ende geht es nicht darum, dass Männer etwas verlieren, sondern dass alle gewinnen!

Mehr zu Mathias Haas und seinem Team, zur Zukunftsbegleitung zwischen Trendbeobachtung und Transfer liegt genau hier bereit:
www.trendbeobachter.de
www.play-serious.org