Kex-Hostel in Reykjavik: Interview mit Dagur Sigurðsson

Mathias Haas im Interview mit Dagur Sigurðsson –  dem „Handball-Gott“, dem Handballtrainer (österreichische Nationalmannschaft, heute Füchse Berlin) und dem Teilinhaber & Mitinitiator des neuen gesellschaftlichen Drehkreuzes in Island.

DER TRENDBEBOACHTER war in einem besonderen Land: Island. Einerseits war die Insel schon immer sehr schwach bevölkert (320.000 Einwohner = 3,1 Einwohner pro km²) und somit für viele Marken und Anbieter völlig uninteressant – also hat sich der Isländer schon immer selbst bekleidet, selbst unterhalten und selbst versorgt. Andererseits hatte Island 2008 bis 2011 eine massive Finanzkrise. Der Zusammenbruch aller drei Großbanken hat das kleine Land direkt und ohne Umwege zum Kollabieren gebracht. Die Spuren dieses Ereignisses sind heute noch sichtbar und haben die Menschen nachhaltig geprägt.

Heute gibt es dort ein Hostel. Doch dieses definiert die Gattung neu. Hier wird locker mal 100 oder 150 EUR für eine Übernachtung bezahlt, dort ist 6 oder 7 EUR für ein Bier völlig legitim. Der Redner und Moderator war in Island und tauschte die Bühne gegen das Mikro, hier das Ergebnis:

Kex-Hostel, ein Beweis für Megatrends?

Dagur Sigurðsson und Mathias HaasMathias Haas auf der Schulbank - mit Dagur Sigurðsson als Coach

 

 

Megatrends und Wandel im Mikrokosmos?

Mathias Haas:
„Dagur, sind Sie der einzige Gewinner der Finanzkrise hier in Island?“

Dagur Sigurðsson:
„Tatsächlich war geplant, die Kex-Fabrik – das Gebäude des ehemaligen Keksherstellers – abzureißen und für chice Appartements Platz zu machen. Doch das kam ins Stocken und die Fläche war leer – mitten in einer Hauptstadt.“

Mathias Haas:
„Die Art und Weise wie hier benutzte Möbel, Dekoelemente, Materialien hochwertig kombiniert werden, wie diese einzeln und in der Summe Geschichten erzählen: Kam das vielleicht auch durch die Rückbesinnung auf alte Werte?“

Dagur Sigurðsson:
„Sicher sind Isländer heute demütiger. Bis heute gibt es viele Menschen, die mit viel Kraft versuchen, ihr Haus zu halten –ungefähr 70 Prozent! Das ist beachtenswert, denn es gab auch jede Menge „high potentials“, die längst Privatinsolvenz angemeldet haben oder gar ausgewandert sind. Ja, das Kex ist ein Ort, in dem nicht nur Reisende eine Heimat finden, sondern auch die fleißigen Isländer.“

Mathias Haas:
„Und die aller fleißigsten haben Sie eingestellt?“

Dagur Sigurðsson:
„Nun, wir haben erst einmal mächtig arbeiten müssen. Von der Schlüsselübergabe bis zum ersten Gast hatten wir vier Monate. Das Kex war pünktlich offen – auch und gerade durch unser Team. Alles übrigens Menschen jenseits der Hotellerie, vom Friseur bis zum Doktoranten. Die sind super, richtig gut! Sie sind alle hungrig.“

Mathias Haas:
„Und detailverliebt. Hier sehe ich nur den Einsatz von Bleistiften, hier ein Blümchen und nirgendwo klassische Werbung wie zum Beispiel diese schrecklichen Zapfhähne von Brauereien.“

Geschäftsmodelle mit dem GMV-Faktor

Dagur Sigurðsson:
„Das ist wirklich kein Zufall. Wir wollten einen Platz, der uns selbst gefallen würde. Deshalb habe ich selbst Ausstattungselemente wie diese Landkarten aus Berlin gekauft und verpackt.“

Mathias Haas:
„Passend dazu haben Sie dann die Geschichte hinter den Karten in Videos dokumentiert und schon vor Eröffnung verbreitet. Ist Social Media ein wichtiger Faktor? Nutzen Sie diesen Kanal als Feedback-Instrument? Ich meine, Sie sind eine Trainer-Type, da sind Rückmeldungen völlig üblich.“

Dagur Sigurðsson:
„Als Trainer geht es natürlich auch um die Details, auch um die Führung von Menschen, die ich – ganz ehrlich – auch nicht alle verstehe. Und wahrhaftig sitze ich regelmäßig in Berlin und lese die Bewertungen. Echtzeit-Feedback vom feinsten, manchmal sind die Gäste noch hier.“

Mathias Haas:
„Wie geht es mit dem System-Kex weiter? Kommen Sie auch nach Stuttgart? In meiner Stadt gibt es auch zu viel Homogenität – kaum Raum für Altes, Wildes, für’s Regeln brechen…“

Dagur Sigurðsson:
„Hier läuft es sensationell, und jetzt kommen auch noch easyjet und Ryanair nach Reykjavik. Ganzjährig kommen mehr und mehr Touristen – für die Polarlichter genauso wie für das legendäre Nachtleben. Und Sie haben Recht, wir prüfen neue Standorte… immer mitten in der Stadt, immer in eher abgewerteten Metropolen. Vancouver und speziell Portland sehen sehr gut aus.“

Mathias Haas:
„Herzlichen Dank, Dagur, für unser Gespräch über Megatrends, Wandel, Veränderungsdruck und Ihr sehr ermutigtendes Geschäftsmodell in schwierigen Zeiten. Hier im „Place to be“!“

Tourismus und lokale Attraktion, hier von Mathias Haas untersucht

 

 

 

 

 

 

 

Wandel & Veränderungsdruck am lebenden Objekt

DER TRENDBEOBACHTER am Puls der Zeit, an Orten in denen „die Kraft auf die Strasse kommt“!
So wie hier im Kex Hostel (www.kexhostel.is) in Downtown Reykjavik. Denn natürlich gibt es nicht nur langfristige Verhaltensveränderungen, die absehbar und berechenbar sind – es gibt eben auch externe Schocks, die nur begrenzt mit Megatrends zu tun haben. Immer wieder aber gibt es auch diese Persönlichkeiten, die die „extra Meile“ laufen und damit Systeme herausfordern. Krise hin oder her!

Mehr zu Mathias Haas, der eben nicht nur Redner und Moderator ist, sondern der sich auch als Entdecker versteht. Fasziniert von Machern ist der Pragmatiker auf der Suche nach Beweisen – für Tugenden und Fallbeispiele zum Wandel in unserer Zeit. Mehr zu ihm und seinem Zukunftsteam unter www.trendbeobachter.de und natürlich in diesem Trendblog.

 

Wie wäre wohl das Kex geworden – wenn wir hierzu einen LEGO SERIOUS PLAY Workshop (www.play-serious.org) gemacht hätten? Es ist deutlich,… es gibt auch andere Methoden. Sehr gute offensichtlich!